Empfang

by woerteralbum

 

Ach, hallo, auch wieder hier?

Ja, dort hinten gibt es Bier.

Aber wohl erst nach den Reden.

 

Unverschämt, wie man hier wartet,

bis das Catering dann startet!

Inzwischen trifft man wieder jeden,

 

den man anderswo auch sieht,

solange es was gratis gibt.

Tut sich um, macht sich gemein.

 

Karten werden ausgetauscht,

Worte auch, manche berauscht.

Am Büffet haut man schnell rein,

 

fühlt im Rücken Messerspitzen,

sucht sich einen Platz zum Sitzen,

den es wie immer gar nicht gibt;

 

drängelt sich an einen Stehtisch,

versucht zu essen dort manierlich,

was man natürlich prompt versiebt.

 

Die Krawatte ist bekleckert,

während Smalltalk drög' verläppert.

Justemang in dem Moment

 

läuft vorbei, schenkt dir ein Wort -

schamhaft wünschst du dich schnell fort -

der Ministerpräsident.

 

Und der Gastgeber spricht gütig:

"Sie taten sich an Mostrich gütlich.

Das ist nicht zu überseh'n."

 

Du selber denkst verlegen:

Muss er seinen dazu geben?,

sagst ihm artig dankeschön

 

für dieses gelung'ne Fest,

wobei dir ein Würstchenrest

leider aus dem Munde fliegt,

 

des Hausherrns Kragen nun verziert,

was zu keiner Szene führt,

denn das hat keiner mitgekriegt.

 

Er wendet sich, kehrt dir den Rücken,

beschmiert mit deinen Würstchenstücken.

Schöner Anzug, denkst du noch,

 

doch dann wirst du abgelenkt,

weil sich jemand zu dir drängt.

"Ach, ich weiß, ich kenn' Sie doch!",

 

ruft ein dir völlig unbekannter

schwer Bezechter, Typ Beamter.

Du täuschst große Freude vor.

 

Ist der wichtig?, grübelst du,

prostest ihm freundschaftlich zu. 

Er labert dir 'nen Knopf ans Ohr.

 

Wie wirst du den jetzt wieder los?

Die Wahl der Mittel ist nicht groß.

Du optierst für Blasenschwäche.

 

"Ich müsste mal, na dann bis gleich!"

Auf dem Klo starrt dir sehr bleich

von des Spiegels glatter Fläche

 

ein Zerrbild deiner selbst ins Auge.

Im Waschbecken schwimmt Seifenlauge,

und Handtücher gibt es nicht mehr.

 

Du streifst mit nasser Hand durchs Haar,

beschließt: Jetzt mache ich mich rar!

Du willst nach Haus', doch das fällt schwer.

 

Auf dem Weg zur Garderobe

triffst du auf eine Matrone,

die sich kichernd bei dir einhakt.

 

Sie gluckst froh, sie habe ja

kürzlich erst hier an der Bar

dir bei Kerzenlicht geweissagt,

 

dass man sich bald wiedersieht,

während sie ihr Mieder schiebt

bedenklich nah an dich heran.

 

Feucht tritt Schweiß dir auf die Stirn,

und du windest dein Gehirn:

Hatte die nicht einen Mann?

 

Laut fragst hinein du in den Saal:

"Wie geht es denn Ihrem Gemahl?"

Worauf die Dame dich gibt frei.

 

Jetzt aber schnell, den Mantel an!

Welcher Empfang ist morgen dran?

Ist egal - du bist dabei!

 

www.woerteralbum.de

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Kommentare: 2
  • #1

    Christine (Dienstag, 16 September 2014 23:21)

    Sehr hübsch.

  • #2

    mo (Dienstag, 16 September 2014 23:40)

    "Hübsch" ist auch so ein Wort, dem man sich mal widmen sollte, weil: "Schön" bedeutet es ja nicht.

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