Die Vorgeschichte des Wörteralbums heißt SLAZ. SLAZ war eine Gebrauchslyrik-Website, die von April 2012 bis Oktober 2013 existierte und sich "das Wörteralbum im Internet" nannte. Sie funktionierte genauso wie das heutige Wörteralbum: Auch dort wurden aus Ihren Wörtern Ihre Gedichte. In anderthalb Jahren entstanden 551. Das Archiv enthält eine Auswahl.
by woerteralbum
Das Deutsche ist ein langer, trüber Flur,
nur schwach erhellt von Geistesblitzen.
Meistens sieht man hier doch nur
gewichtig schreiten aktengeile Schranzen,
die sich durch die Semantik wanzen.
Auf ganz harten Wartebänken
muss der Sprachwitz kleinlaut sitzen,
während ohne nachzudenken
der Behördenwortwurmwahn
bräsig bricht sich seine Bahn.
In Sekretären, Ordnern, Endablagen
quillt's vergilbt aus allen Ritzen
und bauscht sich wichtig: "Zwangsabgaben!"
"Vorgang!", "Vollmacht"!, "Fernmeldemeisterei!"
Und der gute alte "Schriftsatz" ist natürlich auch dabei.
Ach, wenn es nur einer wäre!
Doch in Worterzeugungsspitzen
kommen Dutzende uns in die Quere,
Wörter, die dem Schöpfer gleichen, einer hohen "Amtsperson":
dumm, verbogen, abgehoben, jeder Deutlichkeit zum Hohn.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Der Fahrgast kennt als inn're Regung
gewiss Eisenbahnscheinbewegung.
Dieselbe dich beim Halten narrt,
wenn gegenüber auf dem Gleis
auf Bahnhofvorstehers Geheiß
ein and'rer Zug geht an den Start -
du wähnst den eig'nen dann in Fahrt.
Doch ach, noch geht es nicht voraus -
zuerst die and're Bahn fährt aus.
So war es mal, hat dich gefoppt,
dieweil der eig'ne ICE noch stand -
man das durchaus vergnüglich fand.
Heut' nicht mehr, weil ganz bekloppt
die Bundesbahn dein Fernweh stoppt:
Wegen Zugausfalls, -verspätung
gibt es noch nicht mal Scheinbewegung.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Durch die heiße Wüste Gobi
irrt ein unbeliebter Chauvi.
Zwischen ihren gelben Dünen
muss er seine Taten sühnen.
Darf nicht zeigen seine Nase
in der erstbesten Oase,
wo man jedes Körperglied
dieses Manns nicht gerne sieht.
Sonst gastfreundliche Nomaden
wünschen ihm den größten Schaden,
denn der eitle, geile Tor
sah sich nicht genügend vor,
schwängerte manch Mägdelein,
ließ sich auch mit Frauen ein,
dieser schlimme Schürzenjäger,
deren Gatten Würdenträger.
So erging der Urteilsspruch:
Dieser Kerl wird jetzt Eunuch.
Doch noch vor dem Messerstoß
reißt der Delinquent sich los,
springt und spurtet wie von Sinnen
und ist unverletzt von hinnen.
"Lasst ihn nur!", ruft da sein Richter,
"Wo er hinläuft, zieht stets dichter
ein Sandsturm auf mit Mörderkraft.
Und was der vielleicht nicht schafft,
erledigt bald der Sonne Glut.
Wie auch immer - so ist's gut."
Und so lässt man ihn verschwinden,
hofft, nur noch Gebein zu finden.
Doch das zukünft'ge Gerippe
duckt sich unter einer Klippe,
übersteht das Sturmgebraus,
rechnet sich noch Chancen aus.
Dann wird's Nacht, er streckt sich hin.
Und es geht ihm durch den Sinn:
"Ist's auch kalt und hart der Boden,
hab' ich doch noch meine Hoden.
Morgen gehe ich nach Westen,
mag die Sonne mich auch rösten.
Dort kenn' ich ein Wasserloch.
Ja doch, es gibt Hoffnung noch!"
Und bevor ihn packt der Schlummer,
plant er schon die nächste Nummer.
Was soll sein, er ist noch fit,
ganz besonders auch im Schritt!
So denkt unser Mann voll Hohn -
und er sieht nicht den Skorpion,
der jetzt wird zum stillen Rächer
als der allergrößte Stecher.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Ein Insekt
fällt in Sekt
und verreckt.
Das ist dumm.
Schade drum -
um den Sekt,
der verdreckt
keinem schmeckt.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Denke nicht,
dass es Tränen sind,
die auf diese Zeilen tropfen.
Es ist nur
der Schweiß,
den mich das Vergessen kostet.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
In der Küche voller Tücke
macht bereit das Abendbrot
eine Gattin ihrem Gatten.
Sie will schneiden fein in Stücke
spätestens im Abendrot
den bis dahin redlich satten
Kerl, der ihr so schlecht behagt,
so wie jetzt den Blattsalat.
"Er wird lassen keine Lücke",
spendet sie sich selber Mut,
"Heut' noch werd' ich ihn bestatten."
Eine Stimme sagt ihr: "Drücke
zum Beenden deiner Not
deinem abgefuckten Gatten,
der im Weg steht deinem Glücke,
zu den Hals - mach ihn doch tot,
deines Lebens ärgsten Schatten!"
Doch sie fragt sich: "Wenn ich zücke
dieses Messer wie fürs Brot
und die Tat dann geht vonstatten -
wird dann wirklich alles gut
nur durch das vergoss'ne Blut?"
Schon sieht man das Messer sinken,
ihre Pläne von ihr schwinden.
Später hold im Abendrot
beim verdienten Abendbrot
sitzt bei seinem Weib der Gatte,
der ja keine Ahnung hatte.
Sie sind nicht in einem Forsthaus,
und es ist auch nicht Advent.
Die Gattin macht ihm nicht den Garaus,
wenn man es auch anders kennt.
(Dieses kleine Abend(b)rot
ist gewidmet Loriot)
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Im "Doggie Harbor" an der Elbe,
Hundesalon der Grete Faust,
schnitt Frau Faust sich in dieselbe,
senkte die Schere und rief aus:
"Das also war des Pudels Kern!"
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Das "Tubifex" am Großen Riff,
ein Bauch- und Rückenflossler-Treff,
ist ein meerweit bekannter Schuppen;
abends tanzen hier die Puppen.
Die Seezunge küsst einen Plattfisch,
Knurrhähne knobeln stur am Stammtisch,
auf der Theke tanzt ein Hecht.
Stockbetrunken wankt ein Stockfisch,
einer Plötze wird g'rad schlecht.
Ein Stöhr belästigt eine Seekuh,
eine Meersau lässt sich geh'n.
Neunaugen ordern ständig Ouzo,
bis sie davon neunfach seh'n.
Feucht-fröhlich ist's in diesem Haus,
dem "Tubifex", flutein, ebbaus.
Gern lässt man sich hier bedienen,
abfüllen bis an die Kiemen.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Es war am Koninginnendag,
da hat sie so schön gelacht,
als ich sie am Rokin traf.
Und da ich sie so froh sah,
war die Welt orange und rosa
und auch etwas hemelblauw,
wenn ich ganz genau hinschau'.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Ich bin ein Stück von dir,
vermutlich nicht das beste.
An deinem Grab stehe ich hier,
das hat so selten Gäste.
Ich stehe stumm und schau' ins Rund'.
Ich denk' an deine Todesstund
und frag' mich: Geht es dir jetzt gut?
Ob es dir hier wohl gefällt,
wo abgeschieden von der Welt
starr dein welker Körper ruht?
Der Spatz im Efeu, kommt der oft?
Die Schrift am Grabstein, passt sie dir?
Den Frieden, den du dir erhofft,
hast du ihn gefunden hier?
Ach Mutter, leider bleibst du ewig still,
erwiderst nichts auf jede Frage.
Doch ich mich nicht beschweren will.
Denn einst, am Ende meiner Tage,
werde ich die Antwort finden.
Hier bei dir unter den Linden,
die zartgrün grüßen jetzt im Mai,
ist auch für mich ein Platz noch frei.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Ein Bauchredner aus Donauwörth
blieb neulich völlig unerhört.
Er trat auf - das war fatal -
vor Weight Watchers, die im Saal
und die jede Baucherwähnung stört.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Ein Piercing-Freak, wohnhaft Bethesda,
nervt dort jede Krankenschwester.
Wo jeder andere stes winselt,
fühlt er sich gebauchpinselt
und wünscht die Spritze: "Fester, fester!"
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Ein Eber aus Bebra,
dem Hygiene ein Prä war,
blieb am Troge oft durstig,
denn es schwamm widerborstig
im Wasser schmutziges Schweinshaar.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Also sagt der alte SLAZZER:
"Ich war früher ja mal Jazzer.
Auf die Dauer aber hat's
für mich heute nur noch SLAZ!"
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
"Bringe, wem ein Fang gegeben,
ihn am Samstag um halb drei
zum Gemeindezentrum neben
uns'rer alten Sakristei."
So stand es im "Götterboten",
einem frommen Kirchenblatt,
das im hohen Norden oben
Fischersleut' als Leser hat.
Ausgelobt zum Lohne dessen,
der die meisten Fische angelt,
war ein Preisgeld. Und ein Essen,
für Arme, denen es sonst mangelt
an frischer Speise, vollem Tisch.
Doch an dem besagten Tage
blieben Kescher frei von Fisch,
zog durchs Zentrum große Klage.
All diesen enttäuschten Seelen,
eng versammelt dort im Saal,
würde weiterhin wohl fehlen
ein gesundes, frohes Mahl.
Die Teller leer, die Fischer grantig:
Wettangeln kehrte sich zur Schand',
als durch die Reihen plötzlich wand sich
ein Mann, der bisher unbekannt.
Dieser linderte die Not.
In der Hand hielt er zwei Fische
und dazu fünf Laibe Brot.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Im Stundenplan der Ameisen
steht heut': Wir müssen abreisen.
Durcheinander sie jetzt laufen
kreuz und quer durch ihren Haufen.
Jede schnürt sich ihren Ranzen,
irritiert fragen zwei Wanzen:
Was ist nur mit den Nachbarn los,
wohin wollen sie denn bloß?
Die Ameisen in Urlaub geh'n -
hat man sowas schon geseh'n?
Das ganze Jahr müssen sie schuften,
aber heute heißt's verduften
an einen fernen Sonnenstrand,
wo Arbeit völlig unbekannt.
Der Königin bringt's keinen Spaß,
die tut sowieso nie was.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Als besonders abgebrüht
gilt ein Zocker aus Detroit,
den man oft in Vegas sieht,
wo es ihn zum Craps-Tisch zieht.
Vom und von Würfeln besessen,
dieser Spieler sich nicht scheut,
sie zu werfen in sein Essen.
Er ist darauf ganz versessen,
nennt Brühwürfel Delikatessen.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Produktbeschreibung für ein preisgünstiges vorderasiatisches Haushaltsgerät aus dem Mediamarkt:
Glückwunsch auf
diesen Kauf.
Bitte auch
machen auf
für Gebrauch
Anweisung.
Anwendung
von Gerät
da drin steht.
Ist Apparat
sehr akkurat
für Verzieren,
Schokolieren,
du kapieren?
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
In der Altstadt Gassen Enge
häuft sich eine Menschenmenge,
zieht laut lärmend hin zum Forum,
wo der Henker tut den Strick um
einem Mann, der einstmals war
Diener der Res publica.
Mordlustig die Menge kocht,
hat der Todgeweihte doch
schwere Schuld auf sich geladen,
angerichtet großen Schaden,
da missbrauchet er sein Amt
als des Cäsars Adjutant.
Cäsar flüsterte er ein:
"Wahrlich göttlich wirst du sein,
errichtest du dir einen Tempel,
dafür abreißt alten Krempel,
der noch in der Altstadt steht!"
"Und das Volk?", sprach Cäsar, "Geht
dann wohin? Dort wohnt es doch!"
"Ja, auch das regeln wir noch.
Durch der Altstadt Gassen Enge
ich uns eine Schneise senge
für das neue Heiligtum,
dies alleine dir zum Ruhm!"
Und als die ersten Hütten brannten,
Menschen durcheinander rannten,
brachte Cäsar man ein Scriptum:
Pläne für sein Heiligtum.
Auch die Kosten war'n erläutert -
die Majestät war nicht erheitert.
Alle Aufträge, stand da,
gehen an die Baufirma,
deren Chef sein Adjutant.
"Löscht mit Eile diesen Brand!",
schrie zornig darauf Cäsar,
ehe es schon fast zu spät war.
Des Volkes Los ließ ihn zwar kalt.
Dennoch starb sein Diener bald.
Dessen Verbrechen größtes war
der Griff nach Cäsars Geld in bar.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
"Warte, warte nur ein Weilchen",
lallt erfreut ein Veilchen,
das gepflanzt von einer Faust.
"Wenn du mich noch einmal haust,
sprieße ich bestimmt sehr gut!"
Die Faust ihm den Gefallen tut.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Ein Frosch, der ohne Zunge sich ernährt,
glücklos von der Jagd heimkehrt.
"Na", sagt tückisch seine Frau,
"Mutti wusste es genau,
als sie heftig vor dir warnte,
da ich Deiner mich erbarmte.
So ein Typ, sagte sie gleich,
fängt nix für dich und deinen Laich."
Er heißt Xenopus,
sie Xantippe.
Und schon lang sind ihm Verdruss
sie und ihre ganze Sippe.
Nun schreit er aus voller Lunge:
"Hüte deine böse Zunge!",
wünscht sich arg, sie hätte keine,
streckt aus seine müden Beine.
"Immerhin hab' ich doch Krallen.
Und euch Zungen-Fröschen - allen! -
werde ich es noch beweisen!"
Spöttisch Fliegen um ihn kreisen.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Über eines Schiffes Segel
treffen abends sich zwei Vögel;
sitzen dort auf einer Rahe,
kommen sich dabei recht nahe.
Sie ist eine dumme Gans,
und auch er erfüllt nicht ganz
jeden Anspruch an Genie -
Tölpel tuen dies ja nie.
"Ach", seufzt er, "du bist sehr schön.
Hab' ich dich hier schon geseh'n?"
"Nein, ich bin auf Durchreise",
lispelt sie errötend leise.
"Von Afrika komme ich her,
doch das Fliegen fällt mir schwer.
Darum will ich hier pausieren."
Doch der Tölpel will poussieren.
"Rück", baggert er sie an,
"noch ein wenig näher ran!
Lass' uns vor den Morgennebeln
doch ein bisschen innig schnäbeln!"
"Unter allen Meeresvögeln
zählen Tölpel zu den Flegeln",
sie ihm jede Hoffnung nimmt:
"Siehst du nicht - ich bin beringt!"
Gerade noch an seiner Hüfte,
steigt sie nun schnell in die Lüfte.
Das Schiff fährt unter vollen Segeln,
der Tölpel träumt indes von Vögeln,
die ihm doch noch Gunst erweisen,
ganz egal, woher sie reisen.
"Doch aus Afrikas Gefilden
kommen keine allzu wilden",
merkt er sich - wohl nicht sehr gut.
Tölpeln liegt das nicht im Blut.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Durch Hellersdorfer Kneipen zieh'n
Mandy, Jana und Yasmin.
Wie die meisten ander'n hier
leben sie ständig von Hartz IV.
Mandy fragt sich auf dem Klo:
"Ohne Barry Manilow
hieße ich vielleicht ja Petra -
wär' das besser wohl für später,
wenn ich mich nochmal bewerbe?"
Bisher kriegte sie nur herbe
Absagen aus Westdeutschland,
wo man "Mandy" ostig fand.
Jana neben Maikel sitzt,
der ist g'rade abgeblitzt
bei einer West-Berliner Firma,
der er der DDR zu nah war.
Yasmin beklagt sich - wie Chantal -:
"Uns wird man wohl überall
schnell als Ossis stets erkennen.
Musste man uns denn so nennen,
damals hinter jener Mauer?
Dieser Makel bleibt auf Dauer.
Isoliert und ganz der Welt fern,
tauften exotisch uns die Eltern."
Kevin und auch Jaqueline
stimmen zu hier der Yasmin.
Traurig sie nach Hause geh'n -
im Schlepptau haben sie Doreen.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
4th of July
ist hier vorbei.
Aber drüben,
übern Teich,
steigt die große Party gleich;
brutzelt auf dem Barbecue,
was jährlich gehört dazu
für jedweden US-Bürger,
der jetzt wendet seine Burger.
Und im Cooler steht bereit,
was den Pils-Freund nicht so freut:
Miller's, Coors, ganz sicher Bud -
das US-Bier zu Recht hat
keinen allzuguten Ruf.
Darüber man die Zote schuf:
U.S. beer - no doubt - is like
(so erzählte es mal Mike
bei einem Umtrunk am Bayou)
making love in a canoe:
fucking close to water.
Und selbst Gründungsvater
Jefferson
wusst' davon,
trank darum nur Wein.
Dazu fiel ihm traurig ein:
"Zum Pursuit of Happiness
ich in meinem Land vermiss'
the pursuit of a good beer -
aber das wird wohl nix mehr."
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Hoffnung hab' ich keine möhr,
dass sich einer mal wünscht "Föhr".
Also wünsch' ich's selber möhr.
Eh' ich lange mich beschwöhr,
nehme ich die Karte höhr,
werfe einen Blick auf Föhr.
Wrixum, sehe ich, liegt höh'r
als der ganze Rest von Föhr -
auf zehn Metern ungeföhr!
Aus Föhrs Geschichte ich dann höhr:
Einst jagte man den Walfisch höhr,
harpunierte ihn: "Da bläst öhr!"
Heut' gilt Waljagd als unföhr;
besser ist Fremdenverköhr,
und davon lebt ganz gut auch Föhr.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Was noch bei jeder Party übrig blieb,
und stand's allein auf dem Büffet,
war Hedwigs altes Hausrezept,
Nudelsalat mit Chicorée.
Dieser Salat - nun ja, er trieb
die Leute reihenweise aufs WC,
was jeder Gastgeber nicht schätzt.
D'rum wurde Hedwigs Chicorée
und (das war vielen auch sehr lieb)
auch sie selbst, die Küchenfee,
auf eine Warnliste gesetzt:
"Meidet Hedwigs Chicorée!"
Das war für sie ein schwerer Hieb.
Nur selten ich sie jetzt noch seh'.
Ich glaube, das geschah zuletzt
zur Erntezeit des Chicorée.
Sie stahl davon sich wie ein Dieb,
der Anblick tut noch heute weh.
Ich rief ihr nach: "Sei nicht verletzt;
doch bitte lass' vom Chicorée!"
Sie hörte nicht auf meinen Rat.
Und jetzt hat sie den Salat.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Einmal im Jahr gibt sich den Rest
die Welt auf dem Oktoberfest.
Siehst du den Japaner dort,
den die Ambulanz trägt fort?
Oder Kate aus Pasadena?
Die ist jedes Jahr da,
reizt im Dirndl mit den Dingern,
die im Festzelt dann befingern
Burschen aller Herren Länder,
solang' sie noch einen Ständer
in der Lederhose haben.
Nach Mass vier, fünf, sechs am Abend
wird die Manneskraft recht mau,
lässt man trotzdem raus die Sau.
Der Ferdl rauft dann mit dem Kai,
zwei Iren bricht die Mass entzwei,
während sie damit anstoßen;
ein Finne hat den letzten großen
Rausch seines gesamten Lebens:
Die Sanitäter sind vergebens
bemüht um Reanimation.
Ach, was macht das alles schon,
wenn die Musi nur schee spuit
und man nicht ins Festzelt speit,
sondern draußen nur daneben,
um dann wiederum zu heben
die Mass, die immer steht bereit,
zum Lobe der Gemütlichkeit?
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Beim Vernehmen einer Serenade
in ihrer schlichten Kemenate
erschauert seliglich Renate.
Zu Herzen geht ihr die Kantate,
die unten vorm Hause gerade
zum Besten gibt ihr Schatz, ein Sarde.
An ihr Fenster eilt Renate,
unten schmettert froh ihr Barde.
Renaten hält des Fensters Lade
beim Vorbeugen nicht richtig fest.
Zum Requiem wird dann der Rest,
den unter Schluchzen singt der Sarde.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
(Klagelied einer Wilmersdorfer Witwe)
Neben mir der alte Nichtsnutz
hat am Balkon jetzt einen Sichtschutz.
Was hat der Kerl nur zu verstecken?
Gibt's bei ihm was zu entdecken?
Ja, was hat er wohl davon,
zu vermummen den Balkon?
Die Frage lässt mich nicht mehr ruh'n,
muss man dagegen nicht was tun?
Hol' ich gleich die Polizei?
Doch der ist sicher einerlei,
was der Verbrecher da so treibt -
ich hab' ihn oft schon angezeigt.
Sein Radio plärrt in einer Tour,
sogar weit noch nach zehn Uhr!
Mitten in der tiefen Nacht
er auch oft das Licht anmacht.
Ich mein', das ist doch nicht normal!
Sicherheitshalber hab' ich mal
ein Notizbuch angelegt,
worin alles haarfein steht,
was ich bei ihm beobachte.
Der KOB mich jedoch auslachte,
als ich meine Observierung
anbot für die nöt'ge Fahndung.
Wenn ich an des Balkones Ecke
mich zum Nachbarn rüberrecke,
weit gebeugt über die Brüstung,
seh' ich zu meiner Entrüstung:
Die Pflanzen sind nicht gut gepflegt.
Und da in der Ecke steht
schon wieder eine Bierkiste
für die nächsten Partygäste.
Doch neuerdings seh' ich kein Stück,
das macht mich erst recht verrückt.
Drogen, Terror, Fluchtbegleitung -
man liest so viel ja in der Zeitung.
Den Kerl zu überführen, fällt jetzt schwer.
Einstweilen grüß' ich ihn nicht mehr.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Da kommt der Hans, na schau mal an -
dass der Typ noch laufen kann!
Der ist fett ja wie ein Schwein.
Und da läuft auch hinterdrein
die bekloppte Ursula -
ist auch wer ganz Nettes da?
Meine Güte, diese Conny
trägt ja immer noch den Pony!
Ach, der Franz, der alte Streber,
ist geworden Hauptschullehrer?
Na, das is' ja nich' so doll -
was macht eigentlich Nicole?
Auf die war ich immer scharf,
wenn ich das mal sagen darf.
Sieht ja immer noch ganz gut aus!
Die nahm mich mal mit nach Haus'.
Nee, es is' nich' viel passiert,
ihre Mutter hat gestört.
Sieben Kinder? Sieh mal an!
Alle von demselben Mann?
Mönsch, da drüben steht der Ulli -
wohnt wohl immer noch im Gully.
Bei dem saß ich ein paar Wochen -
der hat immer streng gerochen.
So, der lebt nur von Hartz IV?
Dachte ich schon damals mir.
Is nich' wahr - der Klaus is' tot?!
War ja immer ein Chaot.
Klar, die Drogen und der Suff!
Sach' ma': Wie is' Jens so druff?
Wie, der kommt g'rad ausm Knast?
Der hat manchem gern verpasst
damals schon 'ne Abreibung.
Und von ihrer Abtreibung
hat sich Kim ja nie berappelt.
Guck' mal da: Klaus-Peter grabbelt
glatt schon wieder an ihr rum.
Gott, was is' die Alte dumm!
Ich? Naja, soso, lala.
Export, Import, hier und da.
Na, bis bald, mein lieber Steffen,
dann beim nächsten Klassentreffen!
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Nach meinem Teller Köttbullar
stand ich ziemlich ratlos da,
als ich bei IKEA war.
Denn ich dort an einer Wand
ein Regal mit Tüchern fand,
die mir bisher unbekannt.
Diese mir mit ihrem Namen
reichlich mysteriös vorkamen,
ich blieb zwischen ihnen kramen.
Denn die Tücher hießen "Hären",
und ich wähnte erst, sie wären,
was man kennt aus alten Mären.
So ein härenes Gewand,
derlei ist seit Grimms bekannt,
zur Buße einst Verwendung fand.
Heute ist's ein Badetuch.
Frottee, saugfähig - na huch!
IKEA, sag' mal: Geht es noch?!
by woerteralbum
by woerteralbum
Weil mit SLAZ es nicht so läuft
und ich Schulden angehäuft,
dacht' ich mir: "Wie wär' es denn,
würd' ich dichten für Han Sen?"
Dem gehört hier ein Lokal,
wo ich sitze Mahl um Mahl.
Dieser gute Chinamann
bietet sehr viel Leck'res an.
Sein Huhn Kanton -
auch im Karton! -
wird besonders gern gewählt,
zum Mitnehmen sehr oft bestellt.
Han Sen steckt dann voller Güte
einen Glückskeks in die Tüte.
Die Verse, die's Gebäck verbirgt,
haben mich schon lang verwirrt:
"Den Brunnen bohre ohne Hast,
bevor den Durst Du bereits hast." -
"Hoffnung wie Kandis dir im Tee
versüßt verlässlich jedes Weh."
Das geht besser, dacht' ich mir,
fragte: "Han Sen, wenn ich dir
zur Veredlung deiner Kekse
verkaufte meine eig'nen Texte?"
Hans Sen wurd' bleich
und sprach sogleich:
"Gäste sollen wiederkommen.
Diese Chance wär' mir genommen,
servierte ich
nur ein Gedicht,
das aus dir spricht.
Nee, lass' mal: lieber nicht!"
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Ein adipöser Briefbeschwerer
war begeisterter Verehrer
der Naschereien und des Fetts.
In seinem Job bekam's ihm prächtig,
dass sein Leib so prall und mächtig,
doch sein Arzt war schwer entsetzt.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Niemals dreh' ich so sehr auf,
als wenn Zeit für Ausverkauf.
Das ist ein Hasten, Grabbeln, Wühlen,
schaudernd Stofflagen anfühlen,
das mich gar zu sehr erregt.
Lang hab ich zurückgelegt,
abgespart mir von dem Munde,
was in einer guten Stunde
ich dann haue auf den Kopf -
brauch' ich auch wie einen Kropf,
was im Rausche ich erhasche,
berge in der Einkaufstasche.
Ist mir egal, hier geht's um mehr:
den Spitzenplatz im Kundenheer!
Nein, ich brauch' kein Dschungelcamp,
denn ich kämpfe ungehemmt
und nehm' an d'rauf jede Wette:
In der Konsumentenkette
steh' ich jedes Mal ganz oben -
and're keile ich zu Boden.
Morgens früh vorm KaDeWe
ich schon in der Schlange steh':
Die Ellenbogen sind gewetzt,
das Kinn mit Speichel leicht benetzt.
Und dann geht die Pforte auf -
es beginnt der Todeslauf.
Erst mit einem schnellen Hüpfer
schnappe ich mir 30 Schlüpfer.
Eine Greisin tret' ich weg
im Kampf um eine Rheumadeck'.
Einen Satin-Bettbezug
- davon hat man nie genug -
sichert akkurat und glatt
mir ein saub'rer Uppercut.
Ein geripptes Unterhemd
ich 'nem Einarm'gen entwend'.
So verschaff' ich mir Respekt,
habe gierig Blut geleckt.
Ob ich die Auslegeware
jemals in meiner Mansarde
unterbringe oder nicht,
ist mir wurscht, wenn Angesicht
zu Angesicht ich vor dir steh' -
halt sie bloß nicht in die Höh'!
Denn dann schnappe ich sie mir,
gefährlich fauchend wie ein Tier.
Wenn die Schnäppchen nicht mehr reichen,
geh' ich lächelnd über Leichen.
Jeder Anstand für mich zählt nicht,
triffst du mich an einem Wühltisch!
Bin nach Hause ich getaumelt -
mir noch aus der Tasche baumelt
ein grauer Gardinenstore -,
komme ich mir schäbig vor;
denke an die vielen Narben,
die den ander'n ich geschlagen.
Schaue blass ins Portmonee,
finde einen blut'gen Zeh
in dem neuen Lederschuh -
mich reut's: Ich schlug zu heftig zu.
Lange bin ich nicht so drauf -
bald ist wieder Ausverkauf!
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Osman spricht zu der Suleika:
"Efes macht mich froh und heiter!"
Suleika spricht zu ihrem Mann:
"Erstens ist jetzt Ramadan.
Zweitens schüttet in den Mund
Bier sich nur der Christenhund!"
Doch auf sie Osman hört nie,
zu gut schmeckt ihm der Alkollü.
Und so säuft er immer weiter -
sehr zum Kummer der Suleika.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Zu unterscheiden ist die Küchenschabe
von der Küchenreibe, g'rade
weil die eine unwillkommen,
die and're gern zur Hand genommen.
www.woerteralbum.de
by woerteralbum
Hommage an "Sinfonie der Großstadt", experimenteller Dokumentarfilm über Berlin von Walter Ruttman, 1927
Die Stadt erwacht, kratzt sich am Bauch,
ist noch in Dämmerung getaucht.
Der Morgen spuckt die Menschen aus,
schon eilen sie von Haus zu Haus.
Werden Räder im Getriebe,
von dem ohne sie nichts bliebe
als die leeren Straßenschluchten,
in denen sie ihr Glück einst suchten.
Doch noch wimmeln sie und hasten,
gegen Mittag nur kurz rasten.
Dann pumpt der Tag sie wieder weiter,
der Großstadt Adern werden breiter.
Durch sie pulst der Menschenstrom.
Die Stadt, das große Metronom,
hat jeden einzelnen gepackt,
unterwirft ihn ihrem Takt.
Vielleicht reißt sie dich in Stücke.
Vielleicht stürzt du von einer Brücke.
Kann sein, du tust es gar freiwillig -
in der Stadt ist Leben billig.
Es ist so viel davon ja da -
und wird mehr mit jedem Jahr.
Die Stadt, sie wächst, und es hört nie
zu tönen auf die Sinfonie,
in der du bist der kleinste Ton,
nach kurzer Zeit verklingst du schon.
Die Stadt, sie bleibt.
Dein Name reibt
sich kurz nur ins Gedächtnis -
glaube nicht an ein Vermächtnis!
Wenn man dich längst vergessen hat,
lebt immerfort die Stadt, die Stadt, die Stadt!
www.woerteralbum.de