Antisemit

by woerteralbum

 

Antike:

 

Du hast nur den einen Gott

und bist von ihm auserwählt.

Weshalb Ärgeres als Spott

dich seit diesen Zeiten quält.

 

Dein Tempel, er wird roh zerstört.

Eine dubiose Sekte hört

den Ruf von einem Zimmermann

und denkt, dass der Messias kam.

 

Mittelalter:

 

Ein Kindlein ist im Ort verschwunden,

und der Brunnen ist vergiftet.

Ein Christen-Mob zieht seine Runden,

von Hass zum Morden angestiftet.

 

Du bist kein Bürger, nur geduldet;

dir steht keine Gilde offen,

nur Geldverleih. Und darum hoffen

alle, die bei dir verschuldet,

jeden Tag auf ein Pogrom

und richten dir den Galgen schon.

 

20. Jahrhundert:

 

Du zogst fürs Kaiserreich ins Feld.

Du ziehst die Uniform jetzt an,

mit allen deinen Orden dran;

stehst daneben, während fällt

 

der erste Stein in deinen Laden,

geworfen von dem kleinen Schlingel,

dem in seinen Kindertagen

du schenktest manchen Zuckerkringel.

 

Der ist jetzt groß, großdeutsch sogar,

ein großes Tier bei der SA.

Er schreit: "Dem Juden Zunder!

Bedient euch nur an seinem Plunder;

tragt so viel weg, wie ihr nur schafft!

Er hat es ja von euch gerafft."

 

Der Schupo, im Tumult inmitten,

dreht auf dein Rufen nur den Rücken.

Du glaubst noch an Recht und Gesetz,

bevor man dich und Deine setzt

in einen Zug direkt ins Gas,

was meine Oma gern vergaß.

 

Gestern noch:

 

Oma sagte,

wenn man fragte:

Früher hier im dritten Stock -

und das klang nicht wie ein Schock -

wohnten welche. Die verschwanden.

Das waren keine Unbekannten.

Doch ihre Namen - tut mir leid.

Man hatte dafür keine Zeit

und auch so viel mitgemacht, 

der Russe kam ja über Nacht,

im Keller in der Nachbarin,

und die war eine Arierin.

 

Heute schon:

 

Wieder so weit?

Weil dasselbe Übel schreit?

Und man nicht genau hinsieht,

woher du kommst, Antisemit? 

 

www.woerteralbum.de

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